Der Künstler

Beuys, Joseph (1921-1986), deutscher Künstler. Er gehörte zu den wegweisenden Künstlern in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Joseph Beuys wurde am 12. Mai 1921 in Krefeld geboren. Er wuchs in Kleve und dem nahe gelegenen Rindern auf und zeigte schon früh vielseitige Interessen für Naturwissenschaften, Musik und Bildhauerei, Kulturgeschichte und Philosophie. Im Alter von 17 Jahren beeindruckten ihn Reproduktionen von Skulpturen Wilhelm Lehmbrucks. Nach dem Abitur in Kleve wollte Beuys 1940 ein medizinisches Studium aufnehmen, erhielt aber seine Einberufung, wurde bei der Luftwaffe ausgebildet und als Sturzkampfflieger in der Ukraine eingesetzt. Die Folgen eines Absturzes auf der Krim im Winter 1943 wurden für ihn zu einer auch künstlerisch prägenden Erfahrung. Nomadisierende Tartaren bargen den Schwerverletzten und retteten ihm das Leben, indem sie ihn mit Fett einrieben und in Filz einwickelten. Filz und Fett wurden später zu den bevorzugten und symbolträchtigen Materialien seiner bildhauerischen Arbeit. Bis Kriegsende wurde Beuys noch vier Mal verwundet. In seinem späteren Werk spielten die Themen Krankheit und Verletzung - allerdings in einem ins Metaphorische erweiterten Sinn - eine große Rolle. Der ständig getragene Filzhut, der später, als er einer der berühmtesten Künstler seiner Zeit war, zu einer Art Markenzeichen seiner Person wurde, diente ihm eigentlich als Schutz einer alten Kopfverletzung. Nach dem Krieg studierte Beuys von 1947 bis 1952 Bildhauerei an der Staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf. Anschließend war er bis 1954 Meisterschüler bei Ewald Mataré und Joseph Enseling. 1961 übernahm er den Lehrstuhl für monumentale Bildhauerei, der ihm 1972 wegen massiver Streitigkeiten mit dem damaligen Bildungsminister Johannes Rau entzogen wurde. 1978 erklärte das Verwaltungsgericht die Kündigung als nicht rechtmäßig, Beuys wurde wieder Professor in Düsseldorf und engagierte sich bald darauf bei der Gründung der Partei der Grünen. Er starb am 23. Januar 1986. Das zentrale Anliegen von Joseph Beuys war die Erweiterung des tradierten Kunstbegriffs hin zu einer "anthropologischen Kunst", in der der Mensch Mittel- und Ausgangspunkt ist. In diesem Zusammenhang entwarf Beuys seinen Begriff von der "sozialen Plastik", der das Wirkungsfeld der Kunst auf alle menschlichen Tätigkeitsbereiche, besonders aber Gesellschaft, Kultur, Politik und Ökologie, ausdehnte. Sein berühmt gewordener, aber meist missverstandener Satz "Jeder Mensch ein Künstler" meint nicht die Einbeziehung der Sonntagsmaler und Laienkunst ("Kunst als Freiraum"), sondern ein ästhetisches Konzept, das Leben und Welt des Menschen als "Werk" auffasst, an dem jeder Mensch mitwirkt ("Kunst als Verwirklichung von Freiheit"). Die Bewusstmachung dieses Prozesses ist Aufgabe der Kunst. Auf das Lebenswerk von Beuys trifft in besonderem Maß der Begriff des Gesamtkunstwerks zu, der aus dem 19. Jahrhundert stammend das Zusammenfließen und -wirken verschiedener Gattungen (bildende Kunst, Musik, Theater, Literatur, aber auch Lebensstil) unter der Regie eines Künstlers oder einer Künstlergruppe bezeichnet.

 

Biographie

1921 12. Mai: Joseph Beuys wird in Krefeld als Sohn eines Kaufmanns geboren.
1943 Während eines Einsatzes als Kampfflieger im Zweiten Weltkrieg stürzt er über der Krim ab. Er entgeht nur knapp dem Tod. Einheimische retten den Verwundeten, salben ihn mit Talg und hüllen ihn in Filz. Diese Erfahrung prägt seine Kunst: Filz und Fett sind neben Wachs und Kupfer seine zentralen Materialien. Der Hut - Beuys unverkennbares Markenzeichen - überdeckt die nach seiner schweren Verletzung eingepflanzte Silberplatte in der Schädeldecke.
1946-1955 Mitglied im Klevener Künstlerbund.
1947-1952 Studium der Malerei und der Bildhauerei an der Kunstakademie Düsseldorf bei Josef Enseling, später Meisterschüler von Ewald Mataré.
1953 Erste Einzelausstellung von Skulpturen und Zeichnungen in Kranenburg und in Wuppertal.
1957 Zur Genesung von seinen Depressionen, die ihn infolge seiner Kriegserlebnisse plagen, hält sich Beuys länger in Kranenburg auf.
1961-1972 Professur an der Kunstakademie Düsseldorf.
seit 1964 Beteiligung an jeder documenta.
1965 Erste Galerieausstellung bei Alfred Schmeler in Düsseldorf.
1967 20 Tage nach der Protestkundgebung gegen den Besuch des Schahs in Berlin, bei der der Student Benno Ohnesorg erschossen wurde, gründet Beuys als Reaktion darauf die "Deutschen Studentenpartei". Ziel der Partei ist die Autonomie der Hochschule und ein demokratisches Aufnahmeverfahren der Studenten ohne Prüfung eingereichter Mappen mit eigenen Arbeiten.
1970 Gründung der "Organisation der Nichtwähler, Freie Volksabstimmung". Das Hessische Landesmuseum Darmstadt stellt das umfassende Gesamtwerk aus Zeichnungen, plastischen Bildern und vielteiligen Rauminstallationen, den sogenannten "Beuys Block", aus.
1971 Gründer der "Organisation für direkte Demokratie durch Volksabstimmung". Oktober: Beuys nimmt alle Studienbewerber, auch die abgewiesenen, in seine Klasse auf. Beuys und seine Studenten besetzen erstmals das Sekretariat der Kunstakademie Düsseldorf.
1972 30. Juni-8. Oktober: Auf der documenta 5 in Kassel stellt Beuys ein Büro seiner "Organisation für direkte Demokratie durch Volksabstimmung" aus. Beuys ist bis zum Ende der documenta jeden der 100 Tage in diesem Büro anwesend. 10. Oktober: Beuys besetzt mit abgewiesenen Bewerbern für das Kunststudium erneut das Sekretaritat der Kunstakademie Düsseldorf. Noch am gleichen Tag schickt der Minister für Wissenschaft und Forschung, Johannes Rau, die fristlose Kündigung zu. In einem offenen Brief protestieren Künstler wie Heinrich Böll, Peter Handke (geb. 1942), Uwe Johnson, Martin Walser und Gerhard Richter gegen die Entlassung. Beuys klagt gegen das Land Nordrhein-Westfalen wegen der fristlosen Kündigung.
1973 Gründung der "Freien Internationalen Hochschule für Kreativität und interdisziplinäre Forschung".
1976 Ausstellungsbeiträge zur Biennale in Venedig und zur Zeitgeistausstellung in Berlin.
1978 Abschluß des Rechtsstreits bezüglich der Professur an der Kunstakademie Düsseldorf. Beuys bekommt Recht, die fristlose Kündigung von 1972 wird für rechtswidrig erklärt. Es wird ein Kompromiß ausgehandelt: Beuys behält den Professorentitel und das Nutzungsrecht für das Atelier. Gastprofessur an der Wiener Hochschule für Angewandte Kunst.
1979 Retrospektive im New Yorker Guggenheim-Museum. Kandidatur für das Europaparlament.
1980 Gastprofessur an der Frankfurter Städel-Schule. Kandidatur für den nordrhein-westfälischen Landtag als Vertreter der Grünen.
1984 Beuys-Ausstellung im Tokioter Seibu-Museum.
1985 Ausstellung "Kreuz und Zeichen - Religiöse Grundlagen im Werk von J.B". Teilnahme an der Eröffnung der Londoner Ausstellung "German Art in the Twentieth Century Painting and Sculpture 1905-1985".
1986 23. Januar: Joseph Beuys stirbt in Düsseldorf nach einer seltenen Entzündung des Lungengewebes an Herzversagen.

Joseph Beuys

Joseph Beuys