Der Künstler
Rolf Knie ist einer der bekanntesten und beliebtesten Schweizer Künstler. Seine farbtrunkene, detailreiche Malerei schildert liebevoll die vitalen Facetten der Wunderwelt des Zirkus'. Das vielfältige Oeuvre spiegelt die pulsierende und faszinierende Atmosphäre wider und lässt sie lebendig werden. Komödianten, Artisten, Clowns und exotische Tiere bevölkern die Zirkusbilder von Rolf Knie. Einfühlsam fängt er die Stimmungen und Impressionen vor und hinter den Kulissen oder besser dem Vorgang ein. Er ist ein Zirkuskind – 1949 in die sechste Generation der Zirkusdynastie geboren; er ist mit allen Fasern seines Körpers ein Künstler, ein Schöpfer, ein kreativer Mensch.
Schon früh hat Rolf Knie Kontakt zu Künstlern, die ihn an die Malerei heranführen. Hans Falk, der den Zirkus Ende der 70er über einige Jahre hinweg begleitet und das Leben auf den Tourneen dokumentiert, vermittelt ihm die Grundlagen des Zeichnens und Aquarellierens. Bereits Knies Kinderzeichnungen zeugen von der überbordenden Phantasie eines jungen Menschen, der von abertausend magischen Dingen umgeben und angeregt ist. Seine Motive findet Knie vor der Treppe zu seinem Zirkuswagen: Pferde und wilde Tiere in ihren Stallungen und Gehegen, Clowns beim Warten auf ihren großen Auftritt, Seile, Trapeze, Scheinwerfer... Diese zwei Welten, die des Zirkus’ und der Kunst, prägen Rolf Knie. Seine Gastfamilie Bürgi, bei der er während seiner Schulzeit in Bern-Belp wohnt, erweist sich ebenfalls als kunstaffin. In ihrer Sammlung zeitgenössischer Kunst war Paul Klee, ein Freund der Familie, mit mehreren Werken vertreten. Später lernt Knie Joan Mirò kennen, der ihn mit väterlichen Ratschlägen vereinnahmt. Auch Marc Chagall, einer der ganz Großen der klassischen Moderne, fühlte sich unter dem Dach des Zirkuszeltes zuhause. Jener Mikrokosmos mit seinen eigenen Gesetzen, seinen Farben und seiner unverwechselbaren Atmosphäre inspiriert den Maler. Chagalls Kunst mit ihrer Vitalität, ihrer Traumhaftigkeit, den Lichtern, Masken und Verkleidungen ist dem Zirkus ähnlich. "Für mich ist ein Zirkus ein geheimnisvolles Spiel, das wie eine Welt vorüberzieht. Es gibt einen Zirkus des Spektakels, der Sensationen und des tiefen Sinns. Diese Clowns, diese Kunstreiter, diese Akrobaten haben sich fest in meine Träume eingenistet. Warum? Warum bewegen mich ihre Masken und Grimassen? Mit ihnen komme ich neuen Horizonten näher. Ihre Farbigkeit und ihre Schminken führen mich zu anderen Wandlungen seelischer Wirklichkeit..." Und so weckt Chagall auch in Rolf Knie die Sehnsucht nach fremden Sphären. Sein welterfahrener Freund Jean Tinguely hingegen lebt ihm die unausweichliche, heitere Kreativität des Genies vor. "Die Liebe zur Kunst konnte bei mir in der Umgebung dieser Genies aufleben. Sie gaben mir ein Feuer mit auf den Weg, das seither nie mehr erloschen ist." All diese Künstler, aber auch Rouault und Picasso finden Niederschlag in der Kunst von Rolf Knie. Denn allen mag eines gemein sein: die motivische, thematische Hinwendung zum Zirkus und nicht zuletzt die Faszination für die weite Welt der Artisten, der Clowns und Theaterleute.
Rolf Knie vermag es, den Zirkus in seiner Ganzheit darzustellen. Er lebt, liebt und atmet den Zirkus mit einer Intensität, welche von niemandem gemacht sein kann. Deshalb ziehen die Bilder von Rolf Knie jeden in ihren Bann, der nur kindlich genug geblieben ist, um dafür empfänglich zu sein. "Meine Bilder sind Erinnerungen, die jeder irgendwo in sich trägt, weil er ein Erlebnis, eine Beziehung zum Zirkus in seiner Jugend hat. Meine Bilder wecken diese Erinnerungen wieder beim Betrachter. Jugenderinnerungen sind etwas, das dir keiner nehmen kann." Dieser Geruch von Sägemehl, Dung und geheizter Luft, diese beschwingte Musik, dieser rote Vorhang, aus dem das Leben herauspurzelt, diese schönen starken Menschen und Akrobatinnen mit ihren kraftvollen Körpern... das kann nur einer glaubwürdig künstlerisch erfassen und darstellen, der diese Emotionen in sich trägt, quasi mit der Muttermilch aufgesogen hat. "Für einen Künstler ist es von Vorteil, nahe an seinem Objekt zu sein. Ein Künstler soll nahe rangehen, die unmittelbare Nähe suchen, soll sich, wenn er ein Pferd malt, fast als Pferd fühlen. Wenn ich auf einem Pferd saß, spürte ich jeden Muskel des Tieres, ich beobachtete es genau. Und so weiß ich heute, wenn ich die Umrisse eines Pferdes zeichne: die Linie muss so und so verlaufen, sonst lebt sie nicht. Ich zeichne etwas und fühle sogleich, ob es falsch oder richtig wirkt. Und je nachdem muss ich ein Bild weiter bearbeiten, bis es wirklich sitzt. Die hautnahe Erfahrung ist ein unschätzbarer Vorteil. Körper, Situation und Ausdruck – alles muss in eine Einheit gebracht werden."
Dieser Gedanke der Einheit zieht sich durch das gesamte Oeuvre des Künstlers. Rolf Knie experimentiert mit einer Vielzahl stilistischer Mittel, widmet sich neugierig den verschiedensten Techniken und Bildträgern. Neben einem umfangreichen graphischen Werk, welches Serigraphien, Lithographien und Multiples umfasst, entstehen Zeichnungen, Collagen und Eisen- oder Bronzeskulpturen, die völlig frei mit diversen Zirkuselementen umgehen. Weltweit einzigartig ist Knies Malerei auf Chapiteau. Dabei war es eher ein Zufall, durch den Rolf Knie zu seinen ungewöhnlichen Malgründen fand. "Ich saß im Freien, zeichnete, malte, und da ging mir das Papier aus. In meiner Ungeduld schielte ich zum Sattler hinüber, der sich in der Nähe mit Flickarbeiten am Zelt beschäftigte. Ich wollte unbedingt weiterarbeiten und so schnappte ich mir kurz entschlossen einen Zeltflick und stellte fest, dass ich damit gut bedient war. Das Stück ließ sich ganz phantastisch bearbeiten, die Stricke und Ösen gaben meinen Bildern einen unnachahmlichen Charakter." Genialer und unmittelbarer mag die Verbindung – die Einheit – zwischen Vita und Kunst nicht sein können. Die Werke fungieren als Zeit- und Zeltdokumente gleichermaßen, als das Innere des Zirkus'. Authentisch und mit unnachahmlicher Intensität gibt Rolf Knie die Clowns und Tiere aufmerksam, lustig, wach, sinnlich, echt und beseelt auf einem Stück Zirkuszelt wieder, in dem er selbst gearbeitet und als Clown vor das Publikum getreten ist. Er ist ein Stück vom Bild, als Künstler ein Spiegelbild seiner selbst. So schließt sich der Kreis.
"Wir Künstler sind die einzigen wirklich Reichen. Wir teilen unseren Reichtum mit allen – und bewahren uns damit die Freiheit. Es mag einfach sein, all die Leute, die einem gut gesinnt sind und ihre Sympathie offen zeigen, für neue Werke zu begeistern. Eine andere Sache ist es, die Skeptiker zu überzeugen oder jene, die bisher kein Interesse an meiner Arbeit gezeigt haben. Ich freue mich immer wieder, wenn ich jemanden für meine Arbeit gewinnen kann."
Text: Anja Jahns, M. A.
Biographie
1949 | In Bern als Sohn von Pierrette Dubois, der 17-fachen Schweizer Tennismeisterin und 10-fachen Schweizer Meisterin im Eispaarlaufen und Fredy Knie sen., dem Direktor des „Schweizer National Circus“ in der fünften Generation, geboren |
1954 | Erster Auftritt als Clown mit den „Rivels“ |
1955 | Als 7-jähriger lernt er Karl-Heinz Böhm kennen, später entwickelt sich eine große Freundschaft |
1968 | Eintritt in den Zirkus Knie mit Auftritten als Kunstreiter und Tierdresseur von Elefanten, Giraffen, Nashörnern und Nilpferden |
1973 | Gemeinsame Auftritte mit Gaston Häni als Clownduo u. a. auch in TV-Shows wie „Wetten dass...“, „Am laufenden Band“ oder „Verstehen Sie Spaß?“; Heirat mit Erica Brosi |
1977 | Der Schweizer Künstler Hans Falk begleitet den Zirkus 1977 – 1980; Komiker Emil Steinberger bestreitet die Saison des Zirkus’ und bringt Rolf Knie das perspektivische Zeichnen bei; Geburt des Sohnes Gregory |
1978 | Rolf Knie beginnt die Zirkuswelt zu zeichnen und zu malen, es entstehen erste naturalistische Aquarelle, Hans Falk inspiriert den Autodidakten zur künstlerischen Eigenständigkeit |
1981 | Schauspielerdebüt in „Hotel“, Regie: Max Sieber; Auszeichnung mit dem Chaplin-Preis beim Festival de la Rose d’Or in Montreux |
1982 | „Die Grafen“, Regie: Max Sieber |
1983 | Zweijährige Beurlaubung vom „Schweizer National Circus“; erste Versuche mit der Technik der Lithographie unter Anleitung des Druckers Hans Bonfa im Atelier Wolfensberger in Zürich |
1984 | Letzter Auftritt als Clown in der Wiener Stadthalle; Zusammenarbeit mit dem tschechischen Regisseur Jiri Menzel: das Bühnenstück „Wir machen Spaß“ (Premiere im Schauspielhaus Zürich) mit Gaston, Pipo und Valentina wird in der Folge in der Schweiz, Österreich und Deutschland über 500 mal aufgeführt, über 200.000 Zuschauer besuchen die Auftritte |
1985 | Erste internationale Ausstellung in der Galerie Ruf, München |
1986 | Theatertournee „Wir machen Spaß“ durch Deutschland und Österreich; jede freie Minute nutzt Rolf Knie zum Skizzieren und Zeichnen; Mitwirkung im amerikanischen Spielfilm „Babes in Toyland“ |
1987 | Hauptdarsteller des von Eynar Grabowsky produzierten Bühnenstücks „Charley’s Tante“ mit über 450 Aufführungen in der Schweiz und in Deutschland; intensive Beschäftigung mit Malerei und Druckgraphik; erste Kontakte mit Jean Tinguely – es entwickelt sich eine Freundschaft mit intensivem Briefwechsel |
1988 | Gründung des Äthiopien-Hilfswerks „Menschen für Menschen“ mit Karl-Heinz Böhm; Publikation der ersten Monographie „Circus – die Basis“; erster längerer Aufenthalt auf Mallorca |
1990 | Die Übersiedlung nach Mallorca inspiriert erste Arbeiten zur spanischen Corrida; die Photoreportagen über Rolf Knie von Hannes Schmid finden im Ausland große Beachtung und werden mehrfach ausgezeichnet, in der Schweiz lösen sie heftige Diskussionen aus |
1991 | Abkehr vom künstlerischen Thema des Zirkus’; großformatige Portrait- und Frauenbilder entstehen, welche in seiner viel beachteten Ausstellung auf der „Espace“ auf dem Pariser Eiffelturm gezeigt werden; auch das Thema der Corrida bleibt dominierend |
1992 | Erste Säurebilder entstehen und prägen einen neuen Stil; Heirat mit der portugiesischen Zirkusartistin Anabela Lorador-Rodriguez |
1993 | Große internationale Ausstellungen in Monte Carlo, Madrid, Las Vegas, Los Angeles und Mexico City |
1995 | Gemeinsam entwickeln und konstruieren Rolf Knie und der spanische Künstler Miguel Sarasate erste monumentale Eisenplastiken; anlässlich der Veranstaltung „Deutscher Medienpreis 1995“ wird Rolf Knie als „Schweizer Künstler des Jahres“ ausgezeichnet; zur retrospektiven Ausstellung „Halbzeit / Mi-Temps“ mit über 90.000 Besuchern in Lausanne und Baden erscheint die Monographie „Halbzeit“, welche über 10.000 mal verkauft wurde |
1997 | Walt Disney überträgt Rolf Knie die Aufgabe, als Künstler und kreativer Berater am Entstehen des neuen „Animal Kingdom“ in Orlando, Florida mitzuwirken; die Gestaltung der Kostüme für den „March of the Animals“ wird von Rolf Knie konzipiert |
1999 | Rolf Knie kreiert die neue Prix Walo-Trophäe, eine der wichtigsten Auszeichnungen für Schweizer Unterhaltungskünstler |
2000 | Rolf Knie engagiert sich wieder in der Theater- und Zirkuswelt: Regie, Artwork und Kostümdesign bei der Züricher Weihnachtsshow „Himmel auf Erden“; enge Zusammenarbeit mit dem Münchner Bühnenbildner Peter Rothe für die Retrospektive im Eurodom, Rust |
2001 | Publikation des Buches „Karussell“; Gestaltung einer ersten Briefmarkenserie für das Fürstentum Monaco |
2002 | Eröffnung einer eigenen Galerie im ehemaligen Zeughaus in Rapperswil; Gründung des Winterzirkus Salto Natale mit Sohn Gregory und „Chamäleon“ als erstem Programm |
2004 | Salto Natale mit dem Programm „Vaganzia“, welches 60.000 Zuschauer besuchen |
2005 | Als fixer Bestandteil des kulturellen Vorweihnachtsprogrammes etabliert sich Salto Natale; Rolf Knie tritt als Schirmherr der dritten Produktion „Anagramma“ auf |
2006 | Auf Einladung von Prinzessin Stephanie von Monaco stellt er seine Werke im Rahmen des Jubiläums „30. Festival International du Cirque“ in Monte Carlo aus; Rolf Knie gestaltet das offizielle Plakat des Festivals und eine Jubiläumsbriefmarke für das Fürstentum; Salto Natale mit dem Programm „Circomania“ |
2007 | Salto Natale mit dem Programm „Synfunia“ in Zürich und Bern bricht alle Zuschauerrekorde |
2008 | Mit dem Programm Salto Natale „Elegance“ feiern Rolf Knie und Gregory große Erfolge in Vaduz, Zürich, Bern und Luzern; neue Bildtechnik-Collagen mit den raren Zirkus Knie-Plakaten aus den 30er bis 50er Jahren entstehen |
2009 | Der populäre Schweizer Künstler feiert im August 2009 seinen 60. Geburtstag. Bei seinen aktuellen Werken gibt es nun ein Wiedersehen mit dem geliebten Zirkuszelt als Bildträger; Auf Mallorca lässt er sich von neuen Sujets wie Giraffen, Schimpansen, Zebras, Elefanten inspirieren; Das alljährliche Spektakel Salto Natale öffnet seine Zelte mit dem neuen Programm „Nostalgie“ |
2010 | Rolf Knie lässt seinem Pinsel auf Mallorca seinen Lauf und viele ausdruckstarke Sujets entstehen auf Chapiteau, welche einen reissenden Absatz finden; Salto Natale präsentiert das Programm „Wunschwelt“ |
2011 | Neben dem neuen Programm „Ohlala - der Liebescircus“ kann Rolf Knie den Pinsel nicht liegen lassen und neue Originale entstehen auf Chapiteau |
2012 | Nebst dem 10-jährigen Jubiläum des Winterzirkus’ Salto Natale mit dem Programm „Sternfänger“ entstehen auf Mallorca kraftvolle Bilder, deren Energie im Detail steckt. Die minutiös dargestellten Sujets entstehen mit einem Uhrmacher-Okular und zeigen eine neue malerische Welt und Qualität im künstlerischen Schaffen von Rolf Knie. |